Kartause

Geschichte der Kartause Estenfeld

von Christian Will MdL a.D. und Ehrenbüger von Estenfeld

Was für die Münchner der Alte Peter und das Siegestor ist, das ist für uns Estenfelder die Alte Kirche, die Weiße Mühle und ganz besonders die Kartause Engelgarten. Warum dieser Vergleich, das möge unsere heimatliche Ortschronik anschaulich erzählen.

Anno 1337 waren die Herren von Espenfeld total verarmt. Deshalb verkauften sie an den Würzburger Ecke von Weibeler „umb ihrer großen Schuld willen, neun Seldenhäuser und vier Weingärten um 628 Pfund Heller. Kaum gekauft, gibt Weibeler diesen beachtlich großen Grundbesitz in Estenfeld weiter an den Domherren Eberhard von Hirschhorn.

1364 verschenkt der Domherr Eberhard von Hirschhorn seine Estenfelder Besitzungen an die Würzburger Kartause Engelgarten. Dieser Grundbesitz war damals ein großer Teil der Estenfelder Gemarkung, was für das Kloster der Grundstock für die eigentliche Dorfherrschaft gewesen ist. Weitere Schenkungen stockten diesen Grundbesitz so auf, dass die Kartause alsbald den Großteil der Estenfelder Gemarkung ihr Eigen nennen konnte.

1383 verfasste der damalige Prior der Kartause das erste Weistum für Estenfeld, das Rechte, eigentlich mehr Pflichten, der Bürger von Estenfeld regelte.

1404 legte die Kartause das Schatzungsbuch an, in welchem der ganze Grundbesitz der Bewohner erfasst war. Mit diesem Buch, das 274 Blatt umfasste, war die eigentliche Grundlage für die gemeindliche Grundsteuer geschaffen, die sich auch die Grumbacher im Ort unterordnen mussten.

1507 gehörte der Kartause unumstritten die ganze Dorfherrschaft. Es ist anzunehmen, dass um diese Zeit der erste Klosterhof als Wirtschaftszentrum für die Liegenschaften mit Wohnraum und Stallungen gebaut wurde, denn die Felder und die Seen mussten mit eigenem Personal ordentlich bewirtschaftet werden.

Fürstbischof Lorenz von Bibra legte mit seinem Rate fest, dass das Dorfgericht zu Estenfeld, so daselbst viermal im Jahre durch die Kartäuser Herren gehalten wird, an welchen alle Inwohner teilnehmen mussten. Dabei wurde die Dorfordnung verlesen, neue Satzungen verkündet und neue Wahlbeamte eingesetzt. Auch die Grumbacher mussten sich dabei den Kartäusern unterordnen.

1525 war der Bauernkrieg. In dieser Zeit wurde das Schloss geplündert und gebrandschatzt.

1538 etwa wurde das Kreuz am Eichelein erstmals errichtet, worüber uns ein Körtling aus gleichem Jahre berichtet, den wir bei der letzten Kreuzaufstellung 1967 neben vielen geschichtsträchtigen Münzen im brüchig gewordenen Holzkreuz vorgefunden haben.

Warum hat dieses Kreuz am Eichelein zwei Querbalken, warum ragt aus den Türmen unserer katholischen Pfarrkirchen ebenfalls dieses Kreuz mit den zwei Querbalken? Wurde es erstmals von den Mönchen der Kartause erichtet?

Es ist das sogenannte Patriarchalkreuz, wie es in der Kirchensprache genannt wird. Es wird Patriarchen und Erzbischöfen vorausgetragen und es steht auf Giebel und Türmen von Kirchen und Bauten, die nicht unmittelbar dem Landes- oder Diözesnherrn unterstellt sind. Die Kartäuser waren soch eigenständige Herren. Auf ihrem Bauten standen die Doppelkreuze. Estenfeld war ein Klosterhof. Deshalb wurde auch das Kreuz am Eichelein mit zwei Querbalken geschaffen, weil wir nicht dem Fürstbischof, sondern dem Prior der Kartause als sein Dorf angehörten. Darum ist anzunehmen, dass dieses Kreuz zumindest auf Anregung des Klosters als Patriarchalkreuz unmittelbar nach dem Bauernkrieg errrichte wurde. Generationen von uns haben dieses Erbe bis in unsere Zeit übernommmen. So erinnert auch das Kreuz am Eichelein an die Kartause unter deren Herrschaft Estenfeld eine gute Zeit erlebte.

1598 war der Prior der Kartause Johannes Mulner besonders gefordert. Es gab Streit mit den Grumbachern, die in der katholischen Kirche von Estenfeld evangelische Prediger einsetzen wollten. Fürstbischof Julius Echter trat energisch gegen dieses Ansinnen auf und verpflichtete den Prior der Kartause im Ort die katholische Kirche zu festigen, indem er am 16. Februar 1598 unter dem Patronat der Kartause die Wiedererrichtung der Pfarrei anordnete.

Um die Wende zum 17. Jahrhundert durfte die Kapelle an den blauen Hügeln, oder wie der Volksmund sagt, am Tabor gebaut worden sein. Es ist mit gewisser Sicherheit anzunehmen, dass diese Kapelle von den Kartäusern gebaut wurde, was ich in der stolzen Bauweise und vor allem in der äußerst wertvollen aus Holz geschnitzten Madonna annehme, die leider in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts gestohlen wurde. Willy Grimm schuf 1981 eine Kopie aus Sandstein und die Gemeinde hat dieses klösterliche Kapelle im gleiche Jahr vorbildlich restauriert. Auch dieses Kleinod ist Zeuge einer harmonisch friedlichen Zeit im Klosterdorf Estenfeld.

1614 wurde die Alte Kirche am Schlossberg gebaut. Auch hier sieht man die Handschrift der Kartäuser. Der Ordensbruder Marx Hein wirkte als Bauverwalter und in der Baukommission gab der Prior den Ton an. Zudem steuerte die Kartause 745 Gulden zum Bau des Gotteshauses bei.

1618 bis 1648 tobte der Dreißigjährige Krieg. Estenfeld blieb weitgehend von Plünderungen verschont, da wir ein Dorf der Kartäuser waren, die der schwedische König besonders schätzte. Ungeachtet dessen meldeten die Kartäuser lt. Urkunde im Jahre 1633: „wir seindt hallt ruinierte Religiosi sampt unsern armen, verderbten Estenfeldern, welche ihre Wassersuppen mit Umschlitt schmelzten und die wie Mucken dahinsterben. Gott erbarm sich des Jammers.“ Nach dem Martrikelbuch der Kartause gab es 1632 bei 40 Todesfällen nur 13 Taufen. Weit über ein Drittel der Bürgerschaft war in diesem Krieg an Hunger und Krankheit gestorben.

1657 schrieb Nikolaus Kersting im Auftrag des Priors der Kartause die Holzordnung, nach welcher an die Haushalte des Dorfes die Brennholzverteilung erfolgte. Jahre zuvor schrieb er die Kirchen- und Prozessionsordnung, aus der uns berichtet wird, dass die Estenfelder Pfarrei jährlich nach Dettelbach und zu Maria im Weinberg bei Volkach wallten.

1668 Zwanzig Jahre nach Beendigung des Dreißigjährigen Krieges waren auch in Estenfeld die Wunden dieser bitteren Zeit vernarbt. Der Prior der Kartause ist nicht nur bemüht den Wohlstand im Dorf zu festigen. Prior Schmal baut eine eigene Kapelle mit prachtvollem Torbogen zu den wirtschaftlichen Bauten, die einen beschaulichen Klosterhof umschließen. Im Garten wurde ein See angelegt, der bis in unsere Zeit noch existierte. Im Innenhof sprudelte ein Springbrunnen, der sein Wasser aus der Quelle unterhalb des Kreuzes am Eichelein bezog. Zur Einweihung von Kirche und Tor waren die Klösterer aus der Stadt hierher gekommen, um mit den Kartäusern und mit den Estenfeldern zu feiern. Ja, unterm Stab des Priors war doch gut zu leben.

Druchs prächtige Tor zog viermal im Jahr der Prior mit seinem Gefolge über die untere Straße zur Mahel und zum Dorfgericht nahe der Alten Pfarrkirche und dem Hof der Grumbacher. Das war immer ein prächtiger Aufzug, an welchem die Dorfgemeinschaft mehr oder weniger freiwillig teilgenommen hat. Zumindest die Verköstigung nach den Sitzungen war immer üppig und begehrt.

1709 errichteten die Kartäuser an der Landstraße, die man damals Sächsiche Chaussee nannte, einen Gemarkungsbildstock. Auf der Vorderseite war Maria mit dem Jesuskind dargestellt. Auf der Rückseite sah man Sankt Bruno, den Gründer des Kartäuserordens. Dieser Bildstock sollte den Reisenden auf dieser Straße sagen, dass sie sich hier in Estenfeld im Herrschaftsgebiet der Kartause Engelgarten bewegen und immer herzlich willkommen sind, weshalb auch zur Rast und Stärkung das Wirtshaus an der Linde nahezu zur gleichen Zeit gebaut wurde. Unmittelbar nach dem ersten Weltkrieg versetzte Pfarrer Wilhelm Barth diesen Bildstock von der Straße weg in die Flur. Von dort wurde er 1967 in die Alte Kirche geholt, wo er heute noch Zeugnis ablegt von der über 450 jährigen Dorfherrschaft der Kartause Estenfeld.

Dass wir unsere ehemaligen drei Mühlen, die Weiße Mühle, die Schlossmühle und die Dorfmühle bis in unsere Zeit noch erhalten wissen, ist weitgehend dem Wirken der Kartäuser bis zur Säkularisation anno 1803 zu danken.

1803 zerstörte Bayerns Superminister Montgelas den klösterlich geprägten Alltag in unserm Dorf. Der Grundbesitz an Äckern, Wiesen und Weinbergen wurde mit dem Wirtschaftshof versteigert. Gerettet wurde der 1981 sanierte prächtige Torbogen. Die kleine Klosterkirche wurde leider 1810 abgerissen. Ihr Hochaltar steht in der Pfarrkirche von Vasbühl. Die Statue des Hl. Bruno, die einst dieses Kirche zierte, stand lange Zeit am See hinter dem Klosterhof und grüßt nun als stummer Zeuge klösterlicher Dorfgeschichte vom Turm der Alten Kirche am Schlossberg.

Das Tor zu unserer Kartause ladet zur Rettung der ganzen Klosteranlage ein. Bereits 1974 sagte ich in einer Veröffentlichung: „Über Jahrhunderte war dieser Tor den Bewohnern von Estenfeld eine Schleuse der Hilfe und der Gnade. Uns ist der Auftrag gegeben dieses Kleinod zu schützen und unseren Nachkommen zu erhalten.“ Das sollten wir nicht vergessen. Estenfeld hat den Kartäusern viel zu verdanken.

Wie sagte ich doch am Anfang meiner geschichtlichen Wanderung: „was für die Münchner der Alte Peter und das Siegestor ist, das sind für uns Alte Kirche, Weiße Mühle und ganz besonders unsere Kartause.“

Sorgen wir dafür, dass die Kartause immer in Besitz der Gemeinde bleibt, dass sie deshalb bald ganz Eigentum der Gemeinde wird und dass sie wieder zum Kultur- und Verwaltungszentrum unseres Dorfes wird. Ich vertraue unserem Bürgermeister und dem Gemeinderat, dass sie mit uns die Kartause retten.